Nachhaltige Entwicklung neu denken durch "Post Growth"
Das konventionelle Verständnis von „nachhaltiger Entwicklung“ fußt auf der zunehmend fragwürdigen doppelten Annahme, dass Wirtschaftswachstum sozialen Nutzen stifte, ohne planetare Ressourcen übermäßig zu verbrauchen, und dass diese Strategie universalisiert werden könne. Während die Postwachstumsforschung die Aussicht auf „grünes Wachstum“ massiv in Frage gestellt hat, hat sie die politischen Implikationen dieser Kritik für Frieden und Wohlstand auf globaler Ebene bisher weniger im Blick. Dabei sehen viele Beobachter*innen Postwachstum als eine alternative Strategie an, um Frieden und Wohlstand zu erzeugen. Die bisherigen empirischen Beiträge dazu bleiben jedoch vorwiegend auf die lokale Ebene, wo Postwachstumsideen einen gewissen Einfluss bei der Gestaltung von Versorgungspraktiken erlangt haben, oder auf die nationale Ebene ausgerichtet. Viel zu selten erfassen solche Analysen globale Dynamiken sowie Dynamiken zwischen verschiedenen Ebenen.
Die Arbeitsgruppe, die im hohen Maße inter- und transdisziplinär aufgestellt ist, widmet sich der Herausforderung, Dynamiken rund um Postwachstum auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu ergründen – mit einem besonderen Schwerpunkt auf den möglichen Auswirkungen für Frieden und Wohlstand rund um die Welt. Das Projekt tut dies unter der folgenden zentralen Fragestellung: Wie kann ein Postwachstumsansatz von nachhaltiger Entwicklung dazu beitragen, Frieden und Wohlstand zu fördern? Diese Frage gliedert sich wiederum in drei spezifische Forschungsfragen, die den Stand der akademischen und öffentlichen Debatte zum Zusammenhang zwischen Entwicklung, Nachhaltigkeit und (Post-)Wachstum widerspiegeln:
1. Welche Postwachstumsmaßnahmen sind in besonderem Maße geeignet, Frieden und Wohlstand zu fördern?
2. Wie beeinflussen sich Postwachstumsmaßnahmen gegenseitig auf der lokalen, nationalen und globalen Ebene?
3. Wie beeinflusst ein Postwachstumsansatz von nachhaltiger Entwicklung Prozesse von (De-)Globalisierung?
Die Forschungsagenda der Arbeitsgruppe ist im Zeitalter der Polykrise, in der fortwährendes Wirtschaftswachstum (in fast allen Nationalstaaten sowie auf globaler Ebene) von zunehmenden Umweltschäden begleitet wird, von enormer Dringlichkeit. So sind etwa bereits sechs der neun planetaren Grenzen nachweislich überschritten, und andere (sozio-)ökologische Parameter zeigen ebenfalls bedenkliche Trends. Und dennoch ist die Welt – im Durchschnitt – nie wohlhabender oder „entwickelter“ gewesen als aktuell. Diese Konstellation macht eine genauere Untersuchung des Zusammenspiels zwischen Frieden, Wohlstand und Nachhaltigkeit so wichtig.